The Start of Something New

Kaja in Kanada – so ganz korrekt ist das nicht, denn noch bin ich gar nicht in Kanada, sondern sitze stattdessen in meinem lieb gewonnenen Zimmer an meinem Schreibtisch, von dem aus ich mein Reich der vergangenen knapp zwei Jahre überblicke: Meine irgendwie schon wieder halb vertrockneten Aloe-Vera-Pflanzen; mein Fernseher, welchem ein Receiver fehlt, um seiner Bestimmung gerecht zu werden sowie mein Kuschelpodest, dessen Bequemlichkeit sich scheinbar nur mir offenbart, weil mein Besuch sich meist nach kurzer Zeit über von der Härte hervorgerufene Rückenschmerzen beklagt.

Zeit ist etwas Verrücktes. 20 Monate sind vergangen, seit ich nach Osnabrück gezogen bin und mein Studium begonnen habe. Monate, die sich zusammensetzen aus Stunden voll mathematischer Formeln und blinkender Konsolenbefehle, aus Minuten voll einsamem und schweißtreibendem Hanteltraining sowie konzentriertem Hanabi-Spielen mit Kommilitonen,  aus Sekunden voll Unsicherheit der Zukunft und Gewissheit des Augenblicks. Es ist viel passiert in dieser Zeit und die Rückkehr meiner letzten Reise fühlt sich schon sehr weit weg an. Und gleichzeitig ist die Zeit so vorbeigerauscht; quasi im Fingerschnipsen vorbeigegangen – schneller, als ich sie greifen konnte. Nun ist mein Studium hier in Osnabrück ja noch nicht vorbei: Aber dennoch beginnt jetzt in gewisser Weise ein neuer Abschnitt – der Schlusssprint, die letzten Pflichtkurse, die Vorbereitung auf ein (eventuelles) Masterstudium… Und vor allem zunächst: Mein Forschungspraktikum in Kanada.

Der grobe Plan für den Rest des Jahres sieht wie folgt aus: In den Semesterferien (konkret eigentlich schon vor dem Beginn dieser vom 26.06. bis zum 20.09.) werde ich als Praktikantin in Vancouver in einem Forschungslabor der UBC (University of British Columbia) an den molekularen Mechanismen von Alzheimer forschen. Nach einem kurzen Roadtrip durch die Rocky Mountains fliege ich im Anschluss (am 03.10.) wieder zurück, um dann quasi anlässlich meines Geburtstages am 22.10. in das fünfte Semester zu starten, in welchem nur noch einige wenige Pflichtkurse zur Vervollständigung meiner Module sowie eine wichtige Prüfung, die sogenannte Modulprüfung, ansteht. Zufälligerweise ergibt es sich ganz wunderbar, dass ein guter Freund und Kommilitone von mir sein fünftes Semester in Frankreich verbringt, sodass ich noch vor dem Abflug nach Kanada aus meinem Zimmer aus- und nach Rückkehr aus Kanada in seine (4-Zimmer-)Wohnung einziehe.

Beworben habe ich mich auf den Praktikumsplatz in Vancouver im Herbst letzten Jahres. Das Praktikum wird vermittelt vom DAAD, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst, in Kooperation mit MITACS, einer kanadischen non-profit-Organisation, welche die Vernetzung und den Fortschritt von internationaler Forschung fördert, organisiert und finanziert. Das Praktikum wird über 12 Wochen mit wöchentlich 40 Arbeitsstunden gehen und ist mit einem Vollstipendium verbunden, welches Reise- und Flugkostenpauschale abdeckt und eine Versicherung sowie einen Zuschuss zu den Lebenshaltungskosten beinhaltet. Das Thema: „Molecular mechanisms underlying Alzheimer’s Disease“ – zu Deutsch: Molekulare Mechanismen von Alzheimer. Bereits in den Sommersemesterferien letzten Jahres habe ich mich mit diesem Thema im Rahmen einer Sommerakademie für zwei Wochen auseinandergesetzt und dabei mein Interesse für Neurodegeneration im Allgemeinen und Alzheimer im Besonderen geweckt und vertieft. Nun werde ich also selbst tätig werden können: Genaueres zu einem späteren Zeitpunkt – zum Einen soll dies nur ein einführender Artikel werden, gedacht als Überblick für euch und Aufwärmübung für meine eingerosteten Finger; zum Anderen habe ich von den Forschungsartikeln meines dortigen Professors herzlich wenig verstanden, um ehrlich zu sein; zumindest nicht ausreichend, um den Inhalt getreu der Feynman-Methode erfolgreich erklären zu können. Statt näheren Ausführungen gibt’s hier erstmal einen kleinen Eindruck, was mich so erwartet:

Paper_1
Auszug aus einem Forschungsartikel meines Professors zur Rolle von Hypoxie (Sauerstoffmangel) bei der Entstehung von Alzheimer

Meine Unterkunft habe ich über AirBnB gefunden – es ist ein kleines Zimmer ohne Fenster, dafür aber mit Matratze auf dem Boden. In dem Apartmenthaus, in welchem es im 3. Stock liegt, befindet sich außerdem ein Dachgarten, ein Fitnessstudio, ein Pool, eine Sauna, ein Spieleraum mit Billardtisch und ein kleines Büchereizimmer – alles in der Nutzung mit inbegriffen. Die Lage ist wunderbar; direkt „downtown“ und etwa 15km von der Universität entfernt.

Homer_Street
„Meine“ Straße der nächsten drei Monate

Ich freue mich auf die Zeit in Kanada. Ich bin gespannt auf den Geruch der Luft; ich kann es kaum erwarten, das Meer zu sehen, die Berge zu erwandern und einen Krispy Kreme Donut zu essen. Ich freue mich auf einen geregeltes Arbeitsalltag; auf die englische Sprache und den kanadischen „Toonie“. Ich möchte echten Großstadtlärm hören, Neonreklame sehen und das Reisefieber spüren – die Phase der Euphorie und Aufregung zu Anfang, der Beginn von Normalisierung nach einer Weile, vielleicht ein Anflug von Heimweh in einigen dunklen Stunden der Nacht und schließlich die Vorfreude auf die Heimat und das Wiedersehen bekannter Gesichter… Je näher der Abflugtermin rückt, desto größer wird mein Reisefernwehschmerz.

Bis dahin steht allerdings noch einiges an: Ich werde umziehen (mein Kommilitone hat mir heute schon mal Akkuschrauber und Schraubendreher vorbei gebracht, der Transporter ist bereits gemietet) und noch eine Hausarbeit schreiben. Es müssen (dank meiner Tätigkeit als Philosophie-Tutor) noch einige Philosophie-Essays korrigiert und schließlich am Vorabend meines Abflugs (von 16 bis 20 Uhr) auch noch eine Klausur in Neurodynamik geschrieben werden. Auch an den Wochenenden sind noch schöne Dinge geplant: Langerwarteter Besuch hier in Osnabrück, ein Abstecher nach Holland für ein Wiedersehen mit einem Freund aus Neuseeland in Utrecht, ein Abschiedswochenende in der Heimat… In Anbetracht all dieser dieser Aktivitäten ist es doch – und damit möchte ich diesen ersten Blogbeitrag schließen – ganz angenehm, dass ich mich um kaum etwas Organisatorisches mehr kümmern muss: Flug, Unterkunft und Visum sind geregelt und der Rest wird von der Organisation erledigt – ich werde sogar vom Flughafen abgeholt und…nicht mal die Packliste muss ich selbst schreiben. Niedlich, oder?

Packliste_MITACS
Originalauszug aus dem von der Organisation bereitgestellten Handbuch

In diesem Sinne. Ich freue mich, Dich mit auf die Reise zu nehmen.

4 Kommentare zu „The Start of Something New“

  1. Hallo Süße, vielen lieben Dank, dass du uns wieder mit auf deine Reise nimmst! Wir freuen uns schon sehr auf mehr… ♡♡♡
    Deine Mama und Carsten

    Like

  2. Das gezielte herauspicken und betonen von Details, die verschiedenen Betrachtungswinkel der Dinge und nicht zuletzt der Satzbau; all das macht das Lesen für mich hier – neben der reinen Information – so erquickend. Und so kreiert dieser Blog auch bei mir eine ordentliche Portion Vorfreude auf deine Zeit in Kanada.
    Ich freue mich aufs Lesen 🙂

    Gefällt 1 Person

    1. „Geteilte Freude ist doppelte Freude“ – und auch, wenn meine Mathematikfähigkeit im Allgemeinen eher beschränkt zu sein scheint, ergibt die durch das Lesen mit mir geteilte gedoppelte Vorfreude bei dir in Verbindung mit der durch das schriftliche Teilen gedoppelten Vorfreude bei mir…sogar eine Vervierfachung der Freude! Na, wenn das kein gutes Vorzeichen (was für ein Wortspiel…) für diesen Blog ist! 🙂

      Gefällt 1 Person

Hinterlasse einen Kommentar